Wie schaffen wir es, dieses Problem zu haben?

Diese Frage habe ich kürzlich mit einem Führungsteam bearbeitet, dass sich in einem dauerhaften Problemkreis im Kontext Strategiearbeit befand und mich als Prozessbegleiterin zur Klärungsfindung hinzuholte. Wir haben gemeinsam lustvoll das zugrundeliegende Problemmuster – und nicht das augenscheinliche Problem – erkundet.

Ein Problem am Leben zu halten ist eine Leistung

Ein Problem, das dauerhaft in einer Organisation da ist, ist ein Problemmuster. Wird etwas fortwährend auf ähnliche Art und Weise getan oder unterlassen, stabilisiert es sich. Doch wie kommt diese Dauer zustande? Was leisten welche Personen(gruppen) jeden Arbeitstag dafür konkret? Dem Erkennen des Mechanismus hinter dem Problemmuster kommt hier eine wesentliche Bedeutung zu. Dieser Mechanismus wird allerdings von den ‚im Spiel‘ involvierten Personen häufig übersehen oder weggedacht. Beraterisch ist es sinnvoll, genau an dieser Stelle gemeinsam mit dem Kunden anzusetzen.

Die ‚Spielregel‘ als mustergenerierenden Mechanismus aufdecken

Problemmuster gemeinsam mit dem Kunden zu erfassen, kann – bei aller Schwere des Problems – aus meiner Erfahrung auch von Humor begleitet sein. Das erzeugt eine oft sehr gewinnbringende Leichtigkeit im Klärungsprozess. Ich habe schon mehrfach erlebt, dass Führungskräfte anfangen zu schmunzeln, wenn sie gegenseitig ihr Verhalten und das anderer beschreiben, das dazu beiträgt, das Problem dauerhaft am Leben zu halten. Jeder leistet seinen Beitrag, ist Spieler im Spiel. Wir können uns auf die Schliche kommen, wenn unterstützt durch Fragen und individuelle Beschreibungen die Gangart des Problemmusters transparent wird. Der Kunde erlangt an dieser Stelle im Begleitungsprozess Metakompetenz. Das geschieht durch Mustererkennung und Musterbenennung. Nur was in der Tiefe erkannt und verstanden wird, kann zu echter Veränderung im Außen führen. In meinem Praxisfall lautete eine informelle, unausgesprochene ‚Spielregel‘: „Triff keine Entscheidung – es könnte zu einem Ergebnis führen.“ Als diese aufgeschrieben war, mussten wir herzhaft zusammen lachen. Und allen Beteiligten war klar: „Das müssen und wollen wir ändern.“

Die ‚Spielregeln‘ verändern, damit sich etwas wirksam ändert

In der Praxis gibt es zwei Ansatzpunkte, um mit aufgedeckten Problemmustern umzugehen, die häufig in Kombination miteinander auftreten:

  1. Störung des problematischen Musters durch Unterbrechung (z. B. das Unterlassen von problematischen Verhaltensweisen oder die Verabschiedung von ‚alten Hüten‘)
  2. das Herbeiführen von etwas Neuem (z. B. die Etablierung neuer Verhaltensweisen oder die Entwicklung ‚neuer Hüte‘)

Meine Erfahrung hat gezeigt, dass Kunden schnell dazu neigen, etwas Neues anfangen zu wollen, z. B. in Form von Projekten und Change-Initiativen. Damit wird die Veränderung in die Zukunft verlagert. Wahrscheinlich ist es auch einfach verlockend, um dem Veränderungsaufwand und -schmerz noch etwas zu entkommen. Daher mein dringender Appell: Schauen Sie genau hin, welche konkreten Veränderungen auch durch Störung oder Unterbrechung eines Musters in der Gegenwart erreicht werden können. Manchmal sind es auch die kleineren Stellschrauben, die einen merklichen Unterschied machen. Die Wirkung entfaltet sich so unmittelbar in der Praxis.

Alles, was wiederholt auftritt, leistet einen Beitrag zum Überleben der Organisation

Zu guter Letzt möchte ich die Problemmuster einer Organisation auch noch einmal würdigen. Ich sagte bereits zu Beginn: Sie sind eine Leistung! Glückwunsch! Sie haben am Ende des Arbeitstages etwas geschafft.

Ich könnte auch sagen: Alles, was wiederholt auftritt, leistet einen Beitrag zum Überleben eines Systems. Beziehungsweise hat es bisher nicht zu dessen Untergang geführt. Es macht also für die Organisation oder einen Teil davon Sinn, dass es da ist. Deshalb lohnt es sich, beraterisch auch die wichtige Frage zu stellen: Wofür ist es gut, dass sich das spezifische Problem nicht wandelt? In meinem konkreten Praxisfall lautete sie: Wofür ist es gut, dass wir strategische Fragestellungen im Alltag zu wenig diskutieren? Wozu ist es gut, dass wir keine Entscheidungen treffen?

Damit erweitern sich die Perspektive und Sichtweise auf Problemmuster. Neue Erklärungen und bisher unreflektierte Aspekte werden dann in den Veränderungs- und Lösungsraum mit aufgenommen.

Zusammenfassend gesagt:

Wenn Sie im Arbeitsalltag feststellen, dass Sie zu bestimmten Punkten immer wieder das gleiche Problem in Ihrer Organisation, Ihrem Team oder Ihrer Führungsmannschaft am Laufen halten, dann lohnt es sich, gemeinsam auf Erkundungstour zu den dahinterliegenden Problemmustern zu gehen – und das inklusive der formellen und informellen ‚Spielregeln‘. Diese Erkundungstour ist eine vollkommen andere Herangehensweise als logisch aufgebaute Problemlösungstechniken aus der BWL-Welt. Denn diese Probleme können in der Regel nicht im klassischen Sinne gelöst werden.

Fällt Ihnen ein solches Problemmuster in Ihrem Unternehmen auf? Kontaktieren Sie mich gerne, um mögliche Lösungswege zu besprechen. Stöbern Sie auch auf meiner Website und erfahren Sie mehr über mich und meine Arbeit.

 

Inspirationsgeber für den Artikel: Groth, Torsten: 66 Gebote systemischen Denkens und Handelns in Management und Beratung, Carl-Auer Verlag, 4. Auflage, 2022. Bild von Pixabay